Artur – eine kultige Zipfelmütze retten

Eine kleine Geschichte um die Postkarte, die Karriere machte

Ende der 80er betrieb ich in Rottweil das Postkarten- und Postergeschäft „Gischbls Karten-kiste“. Ich hatte damals noch nicht mit dem unpersönlich, befremdenden Internet zu kämpfen. Die Postkarte als individuelles Ausdrucksmittel gehörte zur Schreibkultur. Zu Beginn verließen die Leute mit dicken Postkartenstapeln meinen Laden. Renner waren Karten kombiniert mit klassischen Motiven aus den 40er, 50er Jahren kombiniert mit lebensphilosophischen Alltagsweisheiten.

Renner unter den Rennern war die Karte „Du fragst mich was soll ich tun? Und ich sage: Lebe wild und gefährlich, Artur“ – kombiniert mit dem Foto eines zipfelmützigen ca. 5-jährigen Jungen in einem eher schäbigen Outfit und missmutigem Blick. In Deutschland erreichte die Karte eine millionenfache Auflage. Im Weltladen Rottweil haben wir die letzten 19 Jahre mehrere hundert davon verkauft.

Nun verstarb im letzten Jahr Werner Clemens-Walter, der Schöpfer dieser Spruchkarten. Die von ihm in den 80ern gegründete Postkartenfirma „Discordia“ stellt die Postkartenproduktion ein. Restbestände werden noch ab verkauft.
Artur wird zur Antiquität, zum Sammlerstück war mein erster Gedanke. Diese geniale Karte sollte für die immer noch existenten Kartenschreiber/innen verlorengehen? Das konnte nicht sein. Artur in einen neuen Kontext stellen war dann meine Idee. Ich recherchierte. Der Ursprung des Textes ist nicht eindeutig geklärt. Die einen verorten ihn bei dem Wiener Schriftsteller Artur Schnitzler, die anderen bei dem Hamburger Künstler Artur Dieckhoff.

Ich beschloss, Artur neu zu „erfinden“ mit zwei gezeichneten „antiken“ Motiven (ein Motiv ist ein Selbstbildnis des 4-jährigen Gischbl) und ich bin gespannt, ob auch diese Kombinationen das Zeug zur Kultkarte haben. Ein Versuch ist es wert.